Geburtstagsgedichte
Lauschend am Fenster sitzt der Poet. -
Draußen die Blumen und Pflänzchen
Halten ihr Abendkränzchen
Auf dem Gartenbeet.
Der Mond in Silberlivree,
Leise geschäftig,
Kredenzt den Tau, den Blütentee,
Anregend und kräftig.
Und von Kelch zu Kelche
Geht ein Geflüster:
Also morgen ist er !
Frau Ehrenpreis (Veronika)
Ja, morgen feiert sie
Ihren werten Entsprießungstag -
Taubnessel (mit dem Hörrohr)
Hä was? Hä welche?
Frau Ehrenpreis (lauter)
- Drüben im Garten die schöne
Frau Rose - -
Taubnessel
Ah! Mit den zwei Knospen die!
Frau Ehrenpreis
- - die tadel - und dornenlose - -
Distel (für sich)
Wer's glauben mag!
Frau Ehrenpreis
- von Duft und Glanz umwoben.
Distel
Man weiß, man weiß!
Die gute Frau Ehrenpreis
Muss immer loben.
Und doch hat unser Röschen, das seine
Allerlei kleine
Grillen und Räupchen
Unter dem zierlichen Häubchen.
Gänseblümchen
Oh wie reizend!
Distel
Bald steht sie da so mildiglich
Und senkt die Blätter,
Bald rüttelt, schüttelt und spreizt sie sich,
Je nach dem Wetter.
Gänseblümchen
Oh wie reizend!
Klatschrose
Ja reizend, das wollt ich meinen!
Drum sieht man auch häufig den Löwenzahn,
Den Rittersporn und den Baldrian
Dort wachsen und erscheinen.
Gänseblümchen
Oh wie reizend!
Klatschrose
Ja reizend, ganz recht!
Und dann dieser Musenknecht,
Dieser Dichter -
Distel
Der Versetrichter -
Klatschrose
- mit den langen Locken -
Distel
- mit dem Loch im Socken.
Gänseblümchen
Oh wie reizend!
Klatschrose
Alltäglich kläglich mit Gefühl
In ihrer Nähe
Entlockt er seinem Saitenspiel
Lieblich Getön
Und singt so schön -
Distel
- wie `ne Mantelkrähe.
Klatschrose
Zum Beispiel, noch gestern - -
Lilie (sanft)
Geliebte Schwestern! -
Frau Ehrenpreis
Ihr Muster der Milde!
Ihr Tugendgebilde!
Lilie
Wen sollte der festliche Tag nicht rühren!
Ich denke doch - -
Levkoje, Tulpe, Päonie, Flor etc.
Ja ja, wir alle gratulieren!!
Frau Ehrenpreis
Ein Schöngeist blüht in unsrer Mitte,
Ein hochgeschickter -
Fräulein Federnelke -
Federnelke
Oh, bitte!
Distel (für sich)
Blaustrumpf, verrückter!
Frau Ehrenpreis
- - Federnelke, die wundersame,
So lautet ihr holder botanischer Name.
Vielleicht lässt sie sich freundlich erweichen
Und schreibt und dichtet ein Billet,
Duftend, geistvoll und nett.
Das möge dann die dienende Biene,
Unsere süße geflügelte Schleckerkathrine,
Hinschwebend im frühesten Morgenwind,
Dem hohen Geburtstagskind
Ehrfurchtsvoll summend überreichen.
Gänseblümchen
Oh wie reizend!
Federnelke (schreibt und liest).
"Veredelte Rose und Nachbarin!
Nehmet die Brieflein gnädig hin,
Sintemalen dasselbe geschrieben
Von allerlei Pflanzen, welche Euch lieben.
Verleihe der Himmel Euer Gnaden
Beständig ein sanftes Sonnenlicht
Und freilich Tau und meinetwegen
Auch hie und da ein wenig Regen,
Nur Sturmwind nicht,
Denn dieser tut der Schönheit Schaden.
Ergebens mit Herz und Honigmund
Das Blumenkränzchen: Tugendbund."
Gänseblümchen
Oh wie reizend!
Federnelke
Ich denke, es macht sich so!
Alle
Bravo bravissimo!
Mond
Noch `n Tässchen Tee gefällig?
Levkoje
Ich trank schon drei.
Flor
Ich fünf.
Tulpe
Ich acht.
Päonie
Mein Mieder kracht!
Alle
Gute Nacht, gute Nacht!
(Die Blumen nicken. Der Mond geht unter. Der Poet, nachdem er noch einen Blick in die Nacht hinaus gebohrt, schließt leise das Fenster.)
Wilhelm Busch
Der Juni kam. Lind weht die Luft.
Geschoren ist der Rasen.
Ein wonnevoller Rosenduft
Dringt tief in alle Nasen.
Manch angenehmes Vögelein
Sitzt flötend auf den Bäumen,
Indes die Jungen, zart und klein,
Im warmen Neste träumen.
Flugs kommt dann auch dahergerennt,
Schon früh im Morgentaue,
Mit seinem alten Instrument
Der Musikant, der graue.
Im Juni, wie er das gewohnt,
Besucht er einen Garten,
Um der Signora, die da thront,
Mit Tönen aufzuwarten.
Er räuspert sich, er macht sich lang,
Er singt und streicht die Fiedel,
Er singt, was er schon öfter sang;
Du kennst das alte Liedel.
Und wenn du gut geschlafen hast
Und lächelst hold hernieder,
Dann kommt der Kerl, ich fürchte fast,
Zum nächsten Juni wieder.
Wilhelm Busch
Noch hat der Mond sein silbernes Szepter nicht
Der goldenen Tageskönigin überreicht,
Noch tausend Vögel singen schon ihren Gruß
Dankbarer Liebe dem Licht, das wieder kommt.
Auch ich begrüße die himmlische Königin
Bei ihrem Lever; dann komm ich zu Dir ans Bett
Und freue mich über Dein Lächeln mehr noch,
Als über alle Strahlen der Ewigkeit.
So wollen wirs, hoff ich, lange noch halten und
Bei Mond und Sonne immer gedenken, daß
Tag wie Nacht dunkel und schaurig sind,
Wenn unser Herz sie nicht helle und heiter macht.
Otto Julius Bierbaum
Wo Zweifel sind, muß man beweisen
Was hochgemuth die Zunge spricht -
Um Dich zu singen, Dich zu preisen,
Bedarf es solcher Mittel nicht!
Und was ich fühle, was ich meine:
Du fühlst es selbst tiefinnerlich,
Mein eignes Wort ist auch das Deine,
Daß süße Wort: Ich liebe Dich!
Im reichen Buche meines Lebens
Steht manches Blättchen vollgeschrieben,
Nicht lange sucht' ich, nicht vergebens
Nach Bildern - hätt' es mich getrieben
In schönen Bildern Dich zu grüßen,
Doch heut zu Besserm treibt es mich:
Ich lege selbst mich Dir zu Füßen
Und jauchze laut: Ich liebe Dich!
Es zeigt sich Gottes Macht und Stärke
In seiner Schöpfung Offenbarung,
Mir zeugen Deine stillen Werke
Für Dich in täglicher Erfahrung -
Deins ist ein weihevolles Walten,
Es heiligt und beseligt mich,
Und immer wahr wird sich erhalten
Das süße Wort: Ich liebe Dich!
So nimm zu Deinem Wiegenfeste
Den Sangesgruß am frühen Tag,
Nur einfach ist er, denn das Beste
Was ich Dir immer bieten mag,
Mußt Du aus meinen Augen lesen,
Hier aus dem Herzen spiegelt sich
Der ächten Liebe ächtes Wesen,
Des Wortes Sinn: Ich liebe Dich!
Friedrich Bodenstedt
Kann denn nur der Vater Pabst allein
Schwerter, Kerzen, Amulet' und Ringe
Für die Frommen seiner Kirche weih'n,
Daß kein Leid und Unheil an sie dringe? -
Freylich rühmt er sich mit stolzem Sinn
Gottes höchsten Priester auf der Erde;
Aber ich, auch ich weiß, was ich bin,
Weiß, daß ich ihm nimmer weichen werde.
Denn ich bin zu hoher Priesterschaft,
Nicht, wie er, von Menschen auserkoren,
Bin dazu empfangen und geboren
Und emporgesproßt durch Gottes Kraft!
Bin geweiht zum Priester des Apoll
Mit des Gottes Kranz und goldnem Stabe!
Seines Geistes bin ich froh und voll;
Warum' nicht auch frommer Wundergabe? -
Ja, ich bin's! So weih' ich betend dann
Dieses Band mit Wunderkraft und Segen,
Daß ich's an Louisens Busen legen,
Und damit Ihr Herz beglücken kann;
O ein Herz, des besten Glückes werth!
Das ich nie zu rühmen mich bestrebe,
Weil der schönste Nahme, den ich gebe,
Doch dieß Herz noch nicht genugsam ehrt. -
Band, ich segne dich mit Freud' und Lust,
Für das längste Leben, sonder Grämen;
Diesen Segen sollst du in die Brust
Meiner edlen Freundinn reichlich strömen!
Freud' und Lust an Ihrem braven Mann
Ein Jahrhundert, oder nicht viel minder,
Freud' und Lust an allem ab und an,
An und ab dem Kleeblatt holder Kinder;
Freud' und Lust, von keinem Harm vergällt,
Sey durch dich Ihr in die Brust gegossen,
Freud' an Gottes ganzer weiter Welt,
Mich, den Priester, auch mit eingeschlossen!
Gottfried August Bürger